Galeerenfahrt – Ein Bericht 09.07.2023

Galeerenfahrt – Ein Bericht

09.07.2023

Was zuvor geschah…

Im Vorfeld musste die komplizierte Anreise ins abgelegene Neupotz bei Germersheim geplant werden. Da sich der Anlegeplatz der Lusoria Rhenana abseits der Bahngleise befindet, organisierten die Teilnehmer Fahrgemeinschaften. Ein paar wenige Wahnsinnige suchten den besonderen Kick und entschieden sich für die umweltfreundliche Anreise mit (dem Zug und) dem Fahrrad.

Galeerenfahrt

Blauer Himmel, keine Wolke in Sicht, einfach traumhaft… wären da nicht die 36 Grad im Schatten. Die Sonne knallt gnadenlos durch das offene Schiebedach und die Wasserflaschen sind schon halb leer, bevor es erst richtig losgeht. Je näher wir unserem Ziel kommen, desto mehr Wolken ziehen auf. Glück gehabt!

So langsam trudeln die Teilnehmer alle nacheinander ein: einige frisch und munter, andere etwas angestrengt in Ermangelung einer Klimaanlage im Auto oder fehlenden E-Motors am Fahrrad. Nachdem wir die in ungewohnten Outfits steckenden sonnencremeverschmierten Körper als unsere altbekannten Kommilitonen identifiziert haben, fängt schon die offizielle Musterung durch unseren Steuermann alias magister navis Aulus an (alle Namen in diesem Bericht sind geändert). Mit einer knappen Begrüßung heißt er uns Willkommen und nimmt sogleich eine psychologisch-physiologische Einschätzung vor, um uns sinnvoll auf die rund 20 Plätze im Boot zu verteilen. Seine besondere Menschenkenntnis beweist Aulus, indem er zwei aus der Gruppe als besonders musikalisch durchschaut – womit sie ideal für den Taktgeberposten im Heck geeignet seien. Zudem spiele auch die mittlere Größe eine entscheidende Rolle. Die besonders Kräftigen (und vereinzelte zarte Gestalten) werden im Mittelschiff platziert. Die Damen in Funktion des „Turbos“ balancieren zu ihren Ruderbänken im Bug. Wer römische Zahlen lesen kann, ist klar im Vorteil…

Zunächst das Ablegen: Steuerbord muss sich die Ruder in die Kniekehle klemmen, was für gewisse Teilnehmer aufgrund von Hautschädigung durch Sonnenbrand unangenehm schmerzhaft ist; Backbord bekommt die schweren Ruder gereicht und muss sie erst noch „einfädeln“. Beim Ablegen kommen auch der Rechtsanwalt, ein Mitglied des Vereins, und sein Sohn Gaius (Achtung Verwechslungsgefahr) zu Hilfe und gleiten durch einen behänden Sprung in den Bug.

Nach anfänglicher Unklarheit, wer Steuerbord und wer Backbord ist, gelingt das Ablegen und es werden weitere Kommandos eingeübt: Die Ruder-Basics lauten „Riemen-Bei“ und „Wasser-Halt“. Einige Ruderschläge später machen wir auch schon ein Päuschen – insgesamt pausieren wir mehr als dass wir rudern, aber das kann man auch aufs Wetter schieben.

Während der Pausen plaudert Aulus aus dem Näh- bzw. Werkzeugkasten über historische Funde, den Bau der Galeere, auf Eingriffe des Menschen zurückführbare Veränderungen des Rheinlaufes und seine Solidarität mit unserer Generation hinsichtlich des menschengemachten Klimawandels. Zur Veranschaulichung gibt er Nägel und Fundstücke (z.B. Münzen) herum; eine zweifelhafte Landkarte, die sich fast über die gesamte Schiffslänge erstreckt, wird ausgerollt. Da unser Seminar bestimmt auch sowas braucht, würde Aulus da seine Kontakte spielen lassen und uns an die Druckfirma vermitteln (Kosten: 250 Euro, ein Schnapper sozusagen).

Wieder und wieder halten wir an, bevorzugt im Gebüsch oder Pappelschatten. Zur Auflockerung moderiert Aulus eine auf der Historia Naturalis des älteren Plinius basierende Wer wird Millionär?-Variante, wobei jede Frage der Millionenfrage von Günther Konkurrenz macht. Während das Heck und das Hauptschiff die ihnen jeweils gestellte Frage souverän und korrekt lösen, überstrapazieren die perfektionistischen und vor allem ahnungslosen Turbo-Frauen Aulus Geduld und entscheiden sich obendrein falsch: Gegen Schnupfen hilft es, ein Maultier zu küssen; Glühwein wird im Allgemeinen überschätzt.

Da das Rudern im gemeinsamen Takt immer noch schwierig ist (ausgeschlossen, dass es an den Taktgebern liegt!), überkreuzen und verhaken sich unsere Ruder ständig. Um weitere Kollisionen zu vermeiden, schlägt Aulus vor, uns mit Musik zu unterstützen. Die Entscheidung fällt leider auf einen Techno-Song, da der Vorschlag, ACDC oder Genesis abzuspielen, keinen großen Anklang findet.

Unvermittelt müssen wir anhalten, da vier Jungstörche und zwei Graureiher am Ufer flanieren. Auch für diesen ergreifenden Moment hat Aulus die passende Musik parat: Aus den Bord-Boxen ertönt Bachs Air. Aulus ist ergriffen.

Weiter geht es, diesmal im „Flüstermodus“, was nicht so recht gelingen will. Um wieder vom Land wegzukommen, müssen wir nun „streichen“, also andersherum rudern, was uns vor Koordinationsschwierigkeiten stellt. Dennoch gelingt die Chaoswende, deren Namen wir alle Ehre machen. Nicht schlimm, Aulus will sowieso bei den Leuten im angrenzenden Lokal einen schlechten Eindruck hinterlassen. Er scheint nun auch endgültig von Gaius’ Rudertalent überzeugt zu sein und dieser wird kurzerhand zum Steuermann auserkoren und am Ruder von seinem Namensvetter vertreten. Gaius soll die Rudermannschaft mit non-verbaler Kommunikation anleiten, schließlich gehe es hier um Teambuilding. Er macht seine Sache gut!

Der Rechtsanwalt übernimmt das Anlegen, sachte gleiten wir an den Pier zurück. Schon sind die zwei Stunden auf dem Altrheinarm um und Aulus verabschiedet uns mit einem Ovid-Zitat, welches er ins Deutsche und dann sinngemäß ins Pfälzische übersetzt.

Badevergnügen

Die Sonne brennt, die Muskeln auch. Wir fackeln nicht lange und springen in den angrenzenden, gut besuchten Badesee, dessen Nutzung durch mehrere Schilder streng untersagt ist. Da dies auch die anderen zahlreichen Badegäste nicht sonderlich zu beeindrucken scheint, schwimmen auch wir einfach mit dem Strom: Diejenigen, die noch Kraft in den Armen haben, ziehen ihre Bahnen, andere machen einen auf Meerjungfrau und sitzen auf der Plattform im Wasser.

Ausklingen des Tages

Erschöpft vom Rudern und Schwimmen machen wir uns schließlich auf den Weg zu einer Gaststätte, in der wir den Tag ausklingen lassen, bevor wir uns alle wieder auf den Heimweg begeben.

Autorin: Melissa Bauer.